RAINER A. RIEPL

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Bilder als Lebens-Zeichen –

             Zugang zum Leben in Farben und Formen

 

Jeder Mensch weiß, dass ein Kunstwerk immer

mehr ist als angewandtes Wissen oder Gestalt

gewordene Technik, doch selten wird dieses

„Mehr“ im eigentlichen Schaffensprozess selbst so

deutlich wahrnehmbar wie bei Rainer A. Riepl.

Bei jedem Werk lässt er sich aufs Neue auf einen

Prozess, eine radikale Erfahrung und Erprobung

der Unmittelbarkeit des absoluten Lebens ein, die

für ihn immer wieder zu einer neuen Grenz-

Erfahrung wird. Denn sie fordert stets das Lassen

und Verlassen alles Vertrauten und Bekannten,

nichts Gewesenes, also keine bestimmten

Vorstellungen oder Inhalte des bewussten Ich

dürfen in diesen jeweils neuen Schaffensprozess

mit ein-fließen, dessen einzige Quelle das wortlose

Sprechen des absoluten Lebens im „Mich“ ist.

„Mich“, also das „Ich“ im Akkusativ, verwendet

der französische Philosoph Michel Henry (1922 -

2002), um darauf zu verweisen, dass wir nur im

Leben und Besitz unserer Vermögen sind, da das

absolute Leben uns als dieses jeweilige „Mich“, aus

dem das „Ich“ hervorgeht, zeugt.

  „Mich“ bezeichnet so letztlich Folgendes: In jedem

Ich geht dessen Ipseität (Selbstheit) nicht aus ihm

selbst hervor, vielmehr geht es seinerseits aus dieser

hervor. (Ich bin die Wahrheit S.189)

 

 So bereitet Rainer A. Riepl die Leinwand vor,

ohne eine Vorstellung von dem Bild zu haben, das

entstehen wird. Seine bewusste Ich-Aktivität

besteht im Sich-Öffnen für die Unmittelbarkeit des

Lebens-Empfindens in sich selbst und dem

ganzheitlich unmittelbaren Wahr-Nehmen des

inneren Bildes, das dabei ist zu entstehen. All sein

Ich-Kann, alle bewussten Vermögen des Ich, stehen

an zweiter Stelle und sind nur darauf ausgerichtet,

dem Sichtbarwerden dieses Bildes im Außen auf

bewusster Ebene seine Hand und seine Technik,

sein künstlerisches Wissen und Können zu leihen.

 

Und somit entspricht dieser Prozess der Praxis

der Lebensphänomenologie, der

lebensphänomenologischen Gegen-Reduktion, die

Michel Henry in seinen Werken beschreibt. Deren

Ziel ist es, jegliche Vor-Stellung in einem

objektiven Außen zu lassen, um somit den Zugang

zum unmittelbaren Leben wieder zu finden, zur

„ursprünglichen Wahrheit“, die der absoluten

Subjektivität entspricht, und zwar im Gegensatz

zur „objektiven, wissenschaftlichen Wahrheit“, die

von der individuellen Subjektivität unabhängig sein

will (vgl. Barbarei, 216).

 

„Dass diese [ursprünglichere] Wahrheit jene des

Individuums ist, will besagen: Es allein findet sie und

kann sie finden. Nicht ausserhalb von sich und als

unabhängig von sich, als wäre sie zeitlich vor ihm oder

ohne es da, sondern als das Ankünftigwerdende nur

dann, wenn das Individuum selbst diese Wahrheit

wird. Und es wird diese nur, insoweit sie in ihm als

eine der konstitutiven phänomenologischen

Potentialitäten seines Seins Platz ergreift, das heisst

als das, was eben unter der Bedingung einer

Selbstveränderung seines Lebens und als dessen

Modifizierung werden kann. Wahr ist folglich in erster

Linie nicht, wovor man sich auszulöschen hat, um es

so sein zu lassen, wie es an sich ist, sondern dem man

Beistand zu leisten hat: sein eigenes Fleisch

hinzugeben hat. Denn jede wesenhafte Wahrheit wird

nur als dieses Fleisch des Individuums und als dessen

eigenes Leben ankünftig." (Barbarei, 217)

 

Rainer A. Riepls künstlerische Praxis besteht somit

im stets neuen Einwilligen in die Aktualisierung der

ihm in seiner absoluten Subjektivität immer wieder

neu gegebenen Vermögen des Lebens.

 

 „Das Sein der Subjektivität, nämlich das Sein in

seinem Ursprungswesen, ist kein Sein im [objektiven]

Sinne; es ist gerade ein Werk und ein Vollzug. Dieser

besteht in jenem Zu-sich-Kommen, durch das die

Subjektivität nicht aufhört, sich selbst zu erfahren und

sich somit in der kontinuierlichen Erfahrung ihrer

selbst zu steigern.“ (Ebd. 275)

 

Daher sind Rainer A. Riepls Werke Zeugen

seiner vollzogenen Lebenssteigerung, denn nur

indem er in seinem künstlerischen Schaffen

immer wieder die phänomenologische Gegen-

Reduktion übt, in einem oft mühevollen Prozess

alle Vorstellungen und Erwartungen sein lässt

und nur auf das wortlose, unmittelbare Sprechen

des Lebens in seinem Sich hört, ist es ihm

möglich, mit „dem Mehr des Lebens“, das sich

ihm, wie auch jedem von uns, zu jedem

Augenblick gibt, übereinzustimmen und es in

seinem Werk in eine Steigerung kommen zu

lassen.

 

Sein Schaffen kann somit auch uns Betrachter

immer wieder daran erinnern, dass auch zu

jedem von uns das Leben in seiner

Unmittelbarkeit unablässig spricht und so wie in

Rainer A. Riepls Schaffen auch in unserem Tun,

was immer das auch sein mag, ständig in eine

Steigerung kommen möchte.

 

19.2.2008

(Prof. OStR Mag. Roswitha Mayr leitet das Institut für

Lebensphänomenologie in Neuhofen bei Ried

i.I./Österreich)